7. Februar 2020
Facebook und die faden Fakten.
Oder: Warum sich das soziale Netzwerk und der Qualitätsjournalismus einfach nicht vertragen.
Facebook ist eine Werbeplattform, auf der gewinnt, wer am lautesten schreit. Kein Ort für den Qualitätsjournalismus, findet unsere Autorin Pia Steidl.
Die mächtige Wirkung, die Facebook haben kann, ist spätestens seit dem Cambridge Analytica Skandal und Facebooks Mitverantwortung bei der Verfolgung der Rohingya in Myanmar eindeutig. Der Cambridge Analytica Skandal zeigte wie leicht es ist, Millionen von Daten zu sammeln und zielgerichtet für Werbezwecke zu nutzen. Und der buddhistische Mönch, der mit Hassreden über die muslimische Minderheit in Myanmar auf Facebook deren Verfolgung quasi anführte, hatte bis zur Sperrung seines Profils Hunderttausende Anhänger. Umgekehrt ringen Nachrichtenunternehmen, die das Potenzial haben solchen Entwicklungen durch Aufklärung entgegenzusteuern, auf sämtlichen Social Media Kanälen um Reichweite.
Ashin Wirathu verbreitete auf Facebook Hassbotschaften gegen die Rohingya in Myanmar und gilt als eine der leitenden Figuren ihrer Verfolgung. Mark Zuckerberg wurde scharf kritisiert, nicht rechtzeitig gehandelt zu haben. Mangels Übersetzungspersonal wurden Wirathus Hassbotschaften lange nicht als solche erkannt. Fotos: Reuters/wikipedia
Warum ist das so?
Doch wie funktioniert dieses System, das anscheinend Wahlen gewinnen und ganze Menschengruppen vernichten kann, aber sachliche Inhalte unter die sprichwörtliche Decke kehrt? Kurz: Indem es emotionalisierenden vor informierendem Content strukturell bevorzugt und somit dessen Verbreitung fördert. Denn Emotionen verkaufen – Produkte wie Politik. Zwar ist das nichts neues, wohl aber die Reichweite der Emotionalisierung, die Social Media ermöglicht.
Affekte und Emotionen sind es somit auch, die Menschen zu facebook-reactions veranlassen. An den Optionen für diese reactions lässt sich erkennen, welche Beiträge Erfolg erwarten lassen. Beiträge nämlich, die bei den Usern »Gefällt mir«, »Haha«, »Traurig«, »Wütend«, »Wow« oder »Love« auslösen. Die Optionen »Interessante Information«, »Wichtiges Weltgeschehen« oder »Zur Kenntnis genommen« gibt es nicht.
Facebook-Reaktion sind auf Emotionalität ausgelegt.
Empörung zieht am besten.
Auch oberflächlich lässt sich so erkennen, dass die Plattform nicht zur Nachrichtenvermittlung gemacht ist. Im schnelllebigen Facebook-Feed, der häufig zwischen Tür und Angel konsumiert wird, ist Effekthascherei eine Voraussetzung, überhaupt beachtet zu werden. Bilder und Schlagworte, die direkter und häufiger mit Emotionen verknüpft verstanden werden, haben einen Vorteil in dieser Ökonomie der Aufmerksamkeit. Lange Texte, die zur Vermittlung komplexer Sachverhalte unvermeidlich sind, müssen schließlich erst gelesen und verstanden werden.
Effekthascherei ist konstituierendes Merkmal der Werbung, und so ist und bleibt Facebook eine Werbe-Plattform. Nicht nur für jene, die etwas zu verkaufen haben. Jeder User muss sich selbst bewerben, denn alle buhlen um Likes, Shares und Kommentare. Der Weg zur hohen Reichweite ist dabei ein sich selbst verstärkender: ein Beitrag, der die kritische Masse an Reaktionen erreicht hat, generiert mehr und mehr Publikum. Die beste Selbstdarstellung gewinnt. Qualitativ hochwertiger Journalismus, dessen primäres Ziel ein anderes ist, verliert in diesem Wettbewerb automatisch.
—
7. Februar 2020
Facebook und die faden Fakten.
Oder: Warum sich das soziale Netzwerk und der Qualitätsjournalismus einfach nicht vertragen.
Facebook ist eine Werbeplattform, auf der gewinnt, wer am lautesten schreit. Kein Ort für den Qualitätsjournalismus, findet unsere Autorin Pia Steidl.
Die mächtige Wirkung, die Facebook haben kann, ist spätestens seit dem Cambridge Analytica Skandal und Facebooks Mitverantwortung bei der Verfolgung der Rohingya in Myanmar eindeutig. Der Cambridge Analytica Skandal zeigte wie leicht es ist, Millionen von Daten zu sammeln und zielgerichtet für Werbezwecke zu nutzen. Und der buddhistische Mönch, der mit Hassreden über die muslimische Minderheit in Myanmar auf Facebook deren Verfolgung quasi anführte, hatte bis zur Sperrung seines Profils Hunderttausende Anhänger. Umgekehrt ringen Nachrichtenunternehmen, die das Potenzial haben solchen Entwicklungen durch Aufklärung entgegenzusteuern, auf sämtlichen Social Media Kanälen um Reichweite.
Ashin Wirathu verbreitete auf Facebook Hassbotschaften gegen die Rohingya in Myanmar und gilt als eine der leitenden Figuren ihrer Verfolgung. Mark Zuckerberg wurde scharf kritisiert, nicht rechtzeitig gehandelt zu haben. Mangels Übersetzungspersonal wurden Wirathus Hassbotschaften lange nicht als solche erkannt. Fotos: Reuters/wikipedia
Warum ist das so?
Doch wie funktioniert dieses System, das anscheinend Wahlen gewinnen und ganze Menschengruppen vernichten kann, aber sachliche Inhalte unter die sprichwörtliche Decke kehrt? Kurz: Indem es emotionalisierenden vor informierendem Content strukturell bevorzugt und somit dessen Verbreitung fördert. Denn Emotionen verkaufen – Produkte wie Politik. Zwar ist das nichts neues, wohl aber die Reichweite der Emotionalisierung, die Social Media ermöglicht.
Affekte und Emotionen sind es somit auch, die Menschen zu facebook-reactions veranlassen. An den Optionen für diese reactions lässt sich erkennen, welche Beiträge Erfolg erwarten lassen. Beiträge nämlich, die bei den Usern »Gefällt mir«, »Haha«, »Traurig«, »Wütend«, »Wow« oder »Love« auslösen. Die Optionen »Interessante Information«, »Wichtiges Weltgeschehen« oder »Zur Kenntnis genommen« gibt es nicht.
Facebook-Reaktion sind auf Emotionalität ausgelegt.
Empörung zieht am besten.
Auch oberflächlich lässt sich so erkennen, dass die Plattform nicht zur Nachrichtenvermittlung gemacht ist. Im schnelllebigen Facebook-Feed, der häufig zwischen Tür und Angel konsumiert wird, ist Effekthascherei eine Voraussetzung, überhaupt beachtet zu werden. Bilder und Schlagworte, die direkter und häufiger mit Emotionen verknüpft verstanden werden, haben einen Vorteil in dieser Ökonomie der Aufmerksamkeit. Lange Texte, die zur Vermittlung komplexer Sachverhalte unvermeidlich sind, müssen schließlich erst gelesen und verstanden werden.
Effekthascherei ist konstituierendes Merkmal der Werbung, und so ist und bleibt Facebook eine Werbe-Plattform. Nicht nur für jene, die etwas zu verkaufen haben. Jeder User muss sich selbst bewerben, denn alle buhlen um Likes, Shares und Kommentare. Der Weg zur hohen Reichweite ist dabei ein sich selbst verstärkender: ein Beitrag, der die kritische Masse an Reaktionen erreicht hat, generiert mehr und mehr Publikum. Die beste Selbstdarstellung gewinnt. Qualitativ hochwertiger Journalismus, dessen primäres Ziel ein anderes ist, verliert in diesem Wettbewerb automatisch.
—