MEINUNG – 9. Februar 2020
Journalistische Süppchen.
Der Journalismus hat ein Vertrauensproblem. Eric Gujer, Chefredakteur der NZZ, sieht die Lösung in einer guten Beziehung zur Leserschaft und dem Einhalten von Qualitätskriterien. Das ist löblich, aber nicht zielführend.
Damit nicht jeder sein eigenes Süppchen kocht, braucht es mehr als Qualität. Foto: Getty
Die publizierende Klasse möge ihre Standards einhalten und ihrer Leserschaft auf Augenhöhe begegnen. Der Journalismus müsse nahbarer werden, dann würde das Vertrauen in die Medien schon von alleine bleiben. Klingt erst einmal nicht schlecht. Doch die vom Chefredakteur der NZZ sicherlich gut gemeinten Worte implizieren auch: das Publikum wäre unten, der Journalismus stünde irgendwie darüber, und zweiterer möge von seinem intellektuellen Podest hinabsteigen, um ersteres weiterhin zu erreichen.
Bei dieser Einschätzung erscheint es einerseits wenig verwunderlich, dass besagtes Publikum sich von besagten Medien nicht abgeholt fühlt. Andererseits gibt es trotzdem eine Diskrepanz, wenn auch eine andere, als Eric Gujer andeutet: Journalistisch gebildete Menschen konsumieren Medien tendenziell anders, als journalistisch nicht gebildete. Wie beim Kochen weiß meist derjenige am besten, wie das Süppchen gegessen gehört, der es auch zubereitet hat.
Eine Studie der Stanford-University kam 2016 zu dem Schluss, dass 80% der Jugendlichen Schwierigkeiten haben, online Information und Werbung zu unterscheiden. Kein Wunder, dass die Glaubwürdigkeit der Branche leidet, wenn Werbung mit Nachricht verwechselt wird. Die Annahme, dass Qualität allein einer solchen Entwicklung entgegenwirken könne, ist nicht nur zu kurz gedacht, sie ist auch unlogisch. Ginge es nach Gujer, müsste die Suppe nur besser werden, dann wüssten die Gäste schon, wie sie sie essen sollen.
Was also sonst tun? (Medien-)Bildung ist das Zauberwort. Die Leserschaft gehört auf Augenhöhe mit Journalistinnen und Journalisten gebracht, nicht umgekehrt. Medienkonsum kann man lernen, kritische Reflexion auch. Obwohl die Einhaltung journalistischer Qualitätskriterien immer unabdingbar für das Vertrauen der Menschen in den Journalismus sein wird, kann Selbstreferenz keine Lösung sein: misstraut der Gast der Suppe, so hilft die beste Suppe nichts.
https://www.nzz.ch/schweiz/240-jahre-jubilaeum/fake-news-kann-man-medien-noch-vertrauen-ld.1532629
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MEINUNG – 9. Februar 2020
Journalistische Süppchen.
Der Journalismus hat ein Vertrauensproblem. Eric Gujer, Chefredakteur der NZZ, sieht die Lösung in einer guten Beziehung zur Leserschaft und dem Einhalten von Qualitätskriterien. Das ist löblich, aber nicht zielführend.
Damit nicht jeder sein eigenes Süppchen kocht, braucht es mehr als Qualität. Foto: Getty
Die publizierende Klasse möge ihre Standards einhalten und ihrer Leserschaft auf Augenhöhe begegnen. Der Journalismus müsse nahbarer werden, dann würde das Vertrauen in die Medien schon von alleine bleiben. Klingt erst einmal nicht schlecht. Doch die vom Chefredakteur der NZZ sicherlich gut gemeinten Worte implizieren auch: das Publikum wäre unten, der Journalismus stünde irgendwie darüber, und zweiterer möge von seinem intellektuellen Podest hinabsteigen, um ersteres weiterhin zu erreichen.
Bei dieser Einschätzung erscheint es einerseits wenig verwunderlich, dass besagtes Publikum sich von besagten Medien nicht abgeholt fühlt. Andererseits gibt es trotzdem eine Diskrepanz, wenn auch eine andere, als Eric Gujer andeutet: Journalistisch gebildete Menschen konsumieren Medien tendenziell anders, als journalistisch nicht gebildete. Wie beim Kochen weiß meist derjenige am besten, wie das Süppchen gegessen gehört, der es auch zubereitet hat.
Eine Studie der Stanford-University kam 2016 zu dem Schluss, dass 80% der Jugendlichen Schwierigkeiten haben, online Information und Werbung zu unterscheiden. Kein Wunder, dass die Glaubwürdigkeit der Branche leidet, wenn Werbung mit Nachricht verwechselt wird. Die Annahme, dass Qualität allein einer solchen Entwicklung entgegenwirken könne, ist nicht nur zu kurz gedacht, sie ist auch unlogisch. Ginge es nach Gujer, müsste die Suppe nur besser werden, dann wüssten die Gäste schon, wie sie sie essen sollen.
Was also sonst tun? (Medien-)Bildung ist das Zauberwort. Die Leserschaft gehört auf Augenhöhe mit Journalistinnen und Journalisten gebracht, nicht umgekehrt. Medienkonsum kann man lernen, kritische Reflexion auch. Obwohl die Einhaltung journalistischer Qualitätskriterien immer unabdingbar für das Vertrauen der Menschen in den Journalismus sein wird, kann Selbstreferenz keine Lösung sein: misstraut der Gast der Suppe, so hilft die beste Suppe nichts.
https://www.nzz.ch/schweiz/240-jahre-jubilaeum/fake-news-kann-man-medien-noch-vertrauen-ld.1532629
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